Wie schnell muss ein Versicherer Bestandsübertragungen bearbeiten?

Jeder Makler kennt es: Du reichst eine Bestandsübertragung beim Versicherer ein und dann heißt es warten.

© denisismagilov - fotolia.com
(Quelle: © denisismagilov – fotolia.com)

Oft informiert der Versicherer den vorherigen Vermittler und gibt ihm eine Frist (oft 6 Wochen), um den Übertragungsauftrag beim Kunden ggf. zurücknehmen zu lassen. Manchmal mahlen die Mühlen sogar noch länger, da die Bearbeitungskapazitäten für diese Aufgaben mangels Interesse des Versicherers zu gering sind.

Wie sieht es rechtlich aus?

Kein Recht auf courtagepflichtige Übertragung

Zunächst einmal: Der Makler hat nicht unbedingt Recht auf eine courtagepflichtige Bestandsübertragung. Das Oberlandesgericht Hamm lehnte einen enstprechenden Anspruch am 24. November 2004 (Az.: 35 U 17/04) ab.

Der Bundesgerichtshof entschied 2005 (Az.: III ZR 238/04) umgekehrt jedoch, dass der Makler seinen Courtageanspruch verliere, wenn ein Kunde einen Dritten Vertreter mit der Betreuung beauftrage. Das ist reichlich widersprüchlich, weil der Makler einerseits keinen Anspruch erwerben solle, wenn er die Betreuung übernimmt, seinen Anspruch aber mit der Betreuung verliert.

Daran ändert auch das Amtsgerichtsurteil Nürnberg vom 16. August 2012 (Az.: 22 C 5558/12) wenig. Hier entschied das Amtsgericht zwar das bei bestehender Courtagevereinbarung mit dem Versicherer eine Übertragung auch eine Courtagepflicht des Versicherers verursache, doch hilft dies wenig. Denn:

  1. Es hilft dem Makler nicht bei Versicherern – beispielsweise auch Direktversicherern – mit denen der Makler erst gar keine Courtagevereinbarung unterhält.
  2. Es hindert den Versicherer nicht die Courtagevereinbarung zu kündigen bzw. eine eventuelle Courtagezusage zurückzuziehen und wer will schon wegen eines Vertrages die Zusammenarbeit riskieren?
  3. OLG schlägt Amtsgericht. Das Urteil eines Amtsgerichts wiegt weniger als das Urteil eines Oberlandesgerichts.

Ein grundsätzlicher Anspruch lässt sich aus dem Amtsgerichtsurteil aus Nürnberg demnach nicht ableiten.

An sich ist die Frage von der Justiz unzureichend und bislang allenfalls ungerechtfertigt einseitig geklärt. Das hilft dem Makler aber nichts, wenn er nicht seinen Beruf wechseln und als Don Quijote der Bestandsübertragung gegen juristische Mühlen ankämpfen möchte.

Recht auf Korrespondenzmaklerschaft

Der Bundesgerichtshof entschied höchstrichterlich am 29.05.2013 (IV ZR 165/12), dass es zu den Nebenpflichten gehört Korrespondenzmaklerschaften anzuerkennen. Dies ergäbe sich aus BGB § 241 Abs. 2.

§ 241 Pflichten aus dem Schuldverhältnis

(2) Das Schuldverhältnis kann nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichten.

Der BGH sagt es sehr klar:

„Den Versicherer trifft eine vertragliche Nebenpflicht, auf Verlangen seines Versicherungsnehmers mit einem von diesem umfassend bevollmächtigten Vertreter Schriftwechsel im Rahmen eines Versicherungsverhältnisses zu führen, es sei denn, dass dies dem Versicherer aus besonderen Umständen im Einzelfall unzumutbar ist.“

Jeder Versicherer – gleich ob Direktversicherer oder Maklerversicherer – hat demnach den Kundenauftrag zu einer Korrespondenzmaklerschaft zu erfüllen, doch Obacht!

Nicht immer Anspruch auf Korrespondenzmaklerschaft

Leider ist es dann doch nicht so einfach. Oft versuchen ehemalige Handelsvertreter eines Versicherers, welche nun Makler geworden sind alte Bestände auf sich zu übertragen. Der Versicherer findet das weniger lustig.Einerseits hat er hier unter Umständen einen Ausgleichsanspruch vergütet, andererseits wollen Versicherungsvertriebe den Wechsel in die höher vergütete Maklerschaft nach Möglichkeit erschweren. Dazu gehört auch Abschreckung: „Wenn Du gehst, ist Dein Bestand weg und Du fängst von vorne an.“

Realistischerweise sollte jeder Ausschließlichkeitsvermittler der in die Maklerschaft wechselt daher nicht damit rechnen, seine ehemaligen Handelsvertreter-Bestände übertragen zu bekommen. Der Versicherer findet seine Rechtsgrundlage für die Ablehnung in §162 BGB Absatz 2.

§ 162 Verhinderung oder Herbeiführung des Bedingungseintritts

(2) Wird der Eintritt der Bedingung von der Partei, zu deren Vorteil er gereicht, wider Treu und Glauben herbeigeführt, so gilt der Eintritt als nicht erfolgt.

Vereinfacht gesagt: Da der Versicherungsagent bzw. Handelsvertreter einen Ausgleichsanspruch hatte, darf er seine als Agent des Versicherers erworbenen Erkenntnisse nicht zur Abwerbung nutzen. Wenn er es doch tut, hat er falsch gehandelt und kann daraus keinen Vorteil ziehen. Er hat also in diesem Fall keinen Anspruch auf Bestandsübertragung. Hier ist also von einem unzumutbaren Einzelfall auszugehen, wie ihn der BGH in seinem oben genannten Urteil formuliert hat.

Nennung von Handelsvertretern trotz Korrespondenzmaklerschaft?

Den Versicherer trifft auch die Verpflichtung nach VVG §6  Absatz 4!

§ 6 Beratung des Versicherungsnehmers

(4) Die Verpflichtung nach Absatz 1 Satz 1 besteht auch nach Vertragsschluss während der Dauer des Versicherungsverhältnisses, soweit für den Versicherer ein Anlass für eine Nachfrage und Beratung des Versicherungsnehmers erkennbar ist. Der Versicherungsnehmer kann im Einzelfall auf eine Beratung durch schriftliche Erklärung verzichten.

Um diese vertragsbegleitende Verpflichtung zu erfüllen könnte es dem Versicherer trotz des BGH-Urteils gestattet sein, einen eigenen Erfüllungsgehilfen zu benennen. Der Makler selbst kann nämlich keinesfalls Erfüllungsgehilfe des Versicherers sein. Allerdings kann der Kunde auf die Beratung durch den Versicherer verzichten. Hier eröffnet sich dem Makler unter Umständen eine Möglichkeit sicher zu stellen, dass der Versicherer keine Generalagenturen oder ähnliches mehr in Policen benennt.

Zeitraum für Übertragungen

Da der Versicherungsmakler (bzw. dessen Kunde) in den meisten Fällen Anspruch auf die Korrespondenzmaklerschaft hat, wie viel Zeit hat der Versicherer für die Übertragung?

Hierzu gibt es ein Urteil des Landgerichts München (17 HK 0 14595/10) vom 25.11.2010 in welchem eine einstweilige Verfügung eines Versicherungsmaklers gegen einen Versicherer bestätigt wird. Der Makler hatte die einstweilige Verfügung erwirkt, weil der Versicherer weiterhin einen Generalagenten als Betreuer des Kunden angab, obwohl der Makler mit der Korrespondenzmaklerschaft beauftragt worden sei. Das Gericht führt klar aus:

„Eine Umstellungsfrist brauchte der Antragsgegnerin nicht eingeräumt zu werden. In der heutigen computermäßig hochtechnologisierten Zeit ist es eine Angelegenheit von Augenblicken, aus einem Anschreiben an einen Kunden die beanstandete Passage zu entfernen.“

Tatsächlich leitet sich daraus ab, dass dem Versicherer kaum mehr als die Postlaufzeiten für die Durchführung der Betreuung zugestanden werden dürfte. Eine Übertragung hat demnach immer unmittelbar nach Kenntnisnahme zu erfolgen.

Übertragungsgeschwindigkeit in der Praxis / Folgen für den Maklerbetrieb

Vorbildlich hat auf das Urteil beispielsweise die AXA reagiert, die ihren gesamten Übertragungsprozess so umgestaltet hat, dass eine Übertragung innerhalb von 24 Stunden erfolgen kann. Bei blau direkt wirken wir insgesamt auf eine massive Beschleunigung der Vorgänge hin. Seit Mai 2016 erreichen wir für mehr als 70% der zu übertragenen Verträge eine vollendete Bestandsübertragung innerhalb von 30 Tagen.

Wo Versicherer noch zu langsam sind, bemühen wir uns Überzeugungsarbeit zu leisten. Immerhin leben wir auch mit unseren Versicherungspartnern ein partnerschaftliches Verhältnis und setzen auf langfristige Zusammenarbeit. Nicht jedes Mal holt man hier die Rechtskeule heraus, sondern gibt seinen Partnern die Gelegenheit organisatorische und technische Voraussetzungen nach und nach zu schaffen.

Eine schnelle Bestandsübertragung hat im übrigen nicht nur Vorteile. Das einige Versicherer offen bekennen – beispielsweise Übertragungen von FinTechs – erstmal liegen zu lassen, weil eventuell eine Rücknahme des Kunden zu erwarten sei, ist klar unzulässig. Für den Makler bedeutet dies, dass auch ihm selbst künftig erheblich schneller Bestände verloren gehen können.

Eine solide, durchdachte und gut organisierte Bestandskundenbindung wird daher zunehmend vom Wettbewerbsvorteil zu einer Überlebensnotwendigkeit des Maklerbetriebs.

Bei Fragen und Anregungen zum Thema Bestandsübertragungen bei blau direkt stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung.




2 Kommentare zu “Wie schnell muss ein Versicherer Bestandsübertragungen bearbeiten?

Komentar verfassen

Die E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.