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Private Unfallversicherung: Was gibt es für dich zu beachten?

Richtig verstehen, richtig anwenden, richtig regulieren

Die private Unfallversicherung bereitet in der praktischen Anwendung nicht nur dem Kunden Kopfzerbrechen. Auch Makler stoßen im Lichte eines oft rätselhaften Bedingungswerkes und medizinischer Sachverhalte an ihre Grenzen. Häufig stehen sich medizinische und versicherungsrechtliche Themenbereiche scheinbar unvereinbar gegenüber. Die Ausführungen geben einen groben Überblick über die Besonderheiten der privaten Unfallversicherung. Sie erinnern den Makler an seine Pflichten und senken das Haftungsrisiko. Sie dienen aber auch dem grundsätzlichen Verständnis und sind Leitfaden für die Schadensabwicklung. Und weil diese Grundzüge gleichwohl umfangreich sind, werden sie in dieser und den nächsten Ausgaben der proVision Beachtung finden.

Unfallschadensmeldung

Die Begleitung in Schadensfällen ist eine Leistungspflicht des Maklers gegenüber seinen Kunden. In der privaten Unfallversicherung gehört daher die Schadensmeldung zur Pflicht des Maklers. Dabei gilt der erste Blick dem jeweiligen Bedingungswerk. Nicht alle Ereignisse, die eine Verletzung zur Folge haben, sind als Unfall im Sinne der privaten Unfallversicherung zu verstehen. Allen Bedingungen ist gemein, dass sie für den Unfall ein plötzlich von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis verlangen, das eine Gesundheitsschädigung zur Folge hat. Damit ist klar, dass innere körperliche Vorgänge keinen Unfall darstellen.
Ist die Schilderung des Kunden zu nebulös, um ein Unfallgeschehen annehmen zu können, sollte umgehend nachgefragt und um Klarstellung gebeten werden. Spätere Korrekturen zum Unfallablauf können gegebenenfalls nicht anerkannt werden. Kunde oder Makler machen sich dann unglaubwürdig.

Ein Beispiel: Die Meldung „Ich habe mir beim Joggen das Knie verdreht – Kreuzbandriss“ erfüllt nicht den Tatbestand des klassischen Unfalls. Es fehlt an der Darstellung der Einwirkung von außen. Hier sollte nachgefragt werden, weshalb es zur Verdrehung des Kniegelenkes gekommen ist. Versäumt der Makler diese Nachfragen und sendet die oben beispielhaft genannte Meldung ab, provoziert er die Ablehnung. Die nachträgliche Klarstellung, die Verdrehung basiere auf einem „Tritt ins Loch“, ist dann kaum glaubhaft, da plötzlich mit dieser Erklärung der Unfalltatbestand erfüllt ist. Gute Versicherungsprodukte versichern jedoch auch den im Beispiel genannten Fall. Es kommt dann gar nicht mehr darauf an, ob tatsächlich eine Einwirkung von außen erfolgt ist. In der Praxis werden diese Fälle von den Klauseln für „Eigenbewegungen“ erfasst. Ein Grund mehr, Premium- statt Basisschutz zu vermitteln. Eine häufige Deckungserweiterung erfährt der Kunde durch die Formulierung „erhöhte Kraftanstrengung“; diese ist transparent (BGH, Urt. v. 20.11.19 – IV ZR 159/18).
Es kommt dabei nicht darauf an, ob und inwieweit sich der Versicherte anstrengte. Die Klausel erfordert einen Bewegungsablauf, der sich von normalen Abläufen des täglichen Lebens durch das gewöhnliche Maß übersteigende Kraftanstrengung abhebt, wobei auf die individuellen körperlichen Verhältnisse abgestellt wird.

Fristenüberwachung

Neben der Schadensmeldung hat der Makler die Pflicht zur Fristenüberwachung (BGH, Urt. v. 30.11.17 – ZR 143/16). Macht er hier Fehler, kann dies seine Haftung begründen. Mit Blick auf die am häufigsten begehrte Invaliditätsleistung ist die „Frist der ärztlichen Invaliditätsfeststellung“ die wohl wichtigste. Diese wird ab dem Unfalltag taggenau berechnet und beträgt in Abhängigkeit von den Bedingungen 15, 18, 24 oder auch 36 Monate. Sie sollte vom Makler notiert werden!
Um den Kunden rechtzeitig auf die Einhaltung der Frist hinzuweisen, empfiehlt sich eine Vorfrist von mindestens 8 Wochen. Ist die Frist abgelaufen, tritt Leistungsfreiheit ein. Auf eine solche kann sich der Versicherer dann nicht berufen, wenn er den Kunden auf die Anspruchs- und Fälligkeitsvoraussetzungen – zu denen auch die Fristen zählen – nicht in Textform hingewiesen hat (§ 186 VVG). Es lohnt sich in diesem Fall ein Blick in die Belehrung. Unter engen Voraussetzungen ist das Sichberufen auf die Fristen auch treuwidrig (§ 242 BGB).

Anforderungen an die ärztliche Invaliditätsfeststellung

Für die ärztliche Invaliditätsfeststellung halten Versicherer Formblätter vor, die der Makler am besten gleich mit der Schadensmeldung anfordern sollte. Diese sind von einem Arzt – nicht von einem Therapeuten – auszufüllen. Der Makler sollte sie auf Richtigkeit und Vollständigkeit prüfen.

Keine Sorge: Medizinisches Fachwissen ist nicht erforderlich.

Aus der ärztlichen Invaliditätsfeststellung müssen aber die Schädigung und der Bereich hervorgehen, auf den sie sich auswirkt (BGH, Urt. v. 01.04.15 – IV ZR 104/13). Sie muss auch die Ursachen, auf denen der Dauerschaden beruht, umreißen. Denn der Versicherer soll bei seiner Leistungsprüfung vor der späteren Geltendmachung völlig anderer Gebrechen geschützt werden und stattdessen den medizinischen Bereich erkennen, auf den sich die Prüfung seiner Leistungspflicht erstreckt.

Was heißt das? Sind aufgrund des Unfalls mehrere Gliedmaßen oder Körperteile betroffen, müssen diese einzeln benannt werden, zum Beispiel Fraktur
Zeigefinger links, Fraktur linkes Schultereckgelenk, Schädelhirntrauma. Auswirkungen haben diese Verletzungen auf die Beweglichkeit des Fingers, des Armes und der Konzentration. Bestätigt werden muss auch, dass die benannten Dauerschäden innerhalb der Frist eingetreten sind. Unschädlich ist, wenn der Arzt noch nicht abschließend einschätzen kann, ob sich der von ihm festgestellte Dauerzustand nicht mehr verändern wird. Dies wird aus der Option der sogenannten Neubemessung deutlich, die zum Ende des dritten Unfalljahres möglich ist.

Leistungsprüfung

Sind diese Voraussetzungen erfüllt, wird die sogenannte Erstbemessung durch den Versicherer durchgeführt, der sich hierzu medizinischer Sachverständiger bedient. Hintergrund sind Regelungen in den Bedingungen, nach denen sich der Versicherer verpflichtet hat, die Höhe seiner Leistung anzuerkennen. Da sich diese nach dem Invaliditätsgrad richtet, muss dieser zuerst ermittelt werden. Gelegentlich wird statt der Begutachtung mit Anerkenntnis ein Abfindungsangebot unterbreitet. Dieses basiert auf Erfahrungswerten der Versicherer. Bestimmte Verletzungsmuster haben häufig einen bestimmten Invaliditätsgrad zur Folge. Zudem spart der Versicherer die Kosten einer medizinischen Begutachtung.

Ein solches Regulierungsangebot birgt mehrere Risiken. Dass das Angebot eine „Verletzung“ von Rechtspflichten des Versicherungsvertrages darstellt (löst damit den Versicherungsfall in der Rechtsschutzversicherung aus), mag dabei von untergeordneter Bedeutung sein. Entscheidend ist jedoch, dass die Funktionsbeeinträchtigung nicht durch einen Mediziner korrekt festgestellt worden ist. Eine uniforme Behandlung von Verletzungsfolgen lässt das Bedingungswerk nur für den Verlust oder die Funktionsunfähigkeit im Anwendungsfall der Gliedertaxe zu. Nur für diese Fälle sind feste und unwiderlegbare Invaliditätsgrade vereinbart. Für die Funktionsbeeinträchtigung gilt dies nicht.

Zudem büßen die Kunden bei Annahme des Angebotes die Möglichkeit der Neubemessung ein. Diese ist für den Kunden im Fall einer Verschlechterung von hoher Wichtigkeit, wenn nämlich innerhalb der Dreijahresfrist die Heilbehandlung noch nicht abgeschlossen ist. Gerade bei Frakturen sollte zumindest klar sein, ob zum Beispiel eingesetztes Osteosynthesematerial im Körper verbleiben muss oder eine vollständige Durchbauung der Fraktur erfolgt ist. Da jeder Heilungsprozess anders verläuft, verbietet sich eigentlich eine vorschnelle Abfindung.

Zusammenfassung

  • In der Schadensmeldung ist das Unfallgeschehen möglichst detailgetreu darzustellen, wobei ein Blick in die Bedingungen Klarheit hinsichtlich der Mindestanforderungen vermittelt.
  • Anspruchsbegründende Fristen sind vom Makler zu notieren und zu überwachen. Anderenfalls droht seine Haftung.
  • Die ärztliche Invaliditätsfeststellung hat auf einem Formblatt zu erfolgen und soll alle Verletzungen einzeln benennen, die einen Dauerschaden auslösen. Auf die Unfallbedingtheit ist in der Invaliditätsfeststellung hinzuweisen.
  • Abfindungsangebote sind kritisch zu hinterfragen. Rücksprachen beim Arzt können die Entscheidungsfindung erleichtern. Im Zweifel ist auf Begutachtung zu bestehen