Die fehlerhafte, unvollständige oder fehlende Beratungsdokumentation – Auswirkungen auf den Versicherungsschutz in der Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung.
Wer schreibt, der bleibt
„Wer schreibt, der bleibt“, sagt der Volksmund. Dies gilt auch und insbesondere für Versicherungsmakler. Die Beratungspflicht des Versicherungsmaklers ist eine seiner Hauptleistungspflichten, seine Beratung hat er nach § 61 Abs. 1 Satz 2 VVG auch zu dokumentieren. Die sogenannte Beratungsdokumentation ist seit Mai 2007 obligatorisch. Dabei verfolgt die Dokumentation den Zweck, die Gründe für die Produktempfehlung festzuhalten und damit nachvollziehbar zu machen. Im Ergebnis soll durch die Dokumentation im Falle eines Streits über eine unterlassene oder fehlerhafte Beratung eine Beweiserleichterung für den Versicherungsnehmer geschaffen werden. Oftmals in den Hintergrund rückt dabei aber die Tatsache, dass eine Dokumentation der Beratung auch vorteilhaft für den Versicherungsmakler ist: Sie ermöglicht den Nachweis einer korrekten Beratung. Die Dokumentation ist Fluch und Segen zugleich. Da sie sowohl eine fehlerhafte als auch eine korrekte Beratung aufzeigen kann, ist sie eine wichtige Grundlage für die deckungsrechtliche Bewertung der Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung.
Eine korrekte Dokumentation liefert den Nachweis einer ebenso korrekten Beratung von Seiten des Versicherungsmaklers.
Was passiert bei einer fehlerhaften oder fehlenden Dokumentation?
„Wer schreibt, der bleibt.“ Und wer nicht schreibt oder sich verschreibt? Anders gefragt: Wie wirkt sich eine fehlerhafte oder gar fehlende Dokumentation auf den Versicherungsschutz aus? In Vermittlerkreisen wird oftmals darüber diskutiert, dass eine fehlende Dokumentation eine wissentliche Pflichtverletzung darstelle und damit Versicherungsschutz bereits nach den allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) ausgeschlossen sei. Verstärkt wird dieser Eindruck, wenn Vermögensschaden-Haftpflichtversicherer bei der Nutzung eines Tools zur Beratungsdokumentation bei einer fehlerhaften oder unvollständigen Dokumentation auf den Einwand einer wissentlichen Pflichtverletzung verzichten. Müssen im Umkehrschluss alle Vermittler, die derartige Tools nicht nutzen, damit weiterhin Angst haben, dass sie eine fehlerhafte oder unvollständige Dokumentation den Versicherungsschutz kostet? Zusätzlich angeheizt wird die Diskussion dadurch, dass Vermögensschaden-Haftpflichtversicherer „zum Vorteil für den Versicherungsmakler“ teilweise eine vertragliche Obliegenheit zur Vorlage der Dokumentation in die Versicherungsbedingungen aufgenommen haben. Aufgrund dieser Obliegenheit beruft sich der Versicherer – abhängig vom jeweiligen Bedingungswerk – bei fehlender Dokumentation nicht auf den Ausschlussgrund der wissentlichen Pflichtverletzung. Aber schließt eine unvollständige bzw. fehlerhafte oder gar fehlende Beratungsdokumentation per se den Versicherungsschutz aus und ist eine Obliegenheit oder die Nutzung eines bestimmten Tools daher wirklich vorteilhaft?
Wissentliche Pflichtverletzung
In den AVB der VermögensschadenHaftpflichtversicherungen heißt es in Ausschlüssen üblicherweise:
„Ausgeschlossen sind Haftpflichtansprüche […] wegen Schadenstiftung durch wissentliches Abweichen von Gesetz, Vorschrift, Anweisung oder Bedingung des Machtgebers (Berechtigten) oder durch sonstige wissentliche Pflichtverletzung, insbesondere Verletzung der Schweigepflicht sowie unbefugte Verwertung von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen.“ Jeder Versicherungsmakler kennt die Dokumentationspflicht in § 61 Abs. 1 Satz 2 VVG, sodass ein Verstoß gegen diese Pflicht in jedem Fall ein „Abweichen vom Gesetz“ darstellt. Da es sich hierbei wohl um eine Kardinalpflicht des Versicherungsmaklers, also um „Elementarwissen“ handelt, wird eine „Wissentlichkeit“ vermutet.
Eine Abweichung bekannter Gesetzte wird als wissentliche Pflichtverletzung gewertet.
Was jedoch oftmals außer Betracht gelassen wird, ist das Erfordernis der Kausalität: Gerade der wissentliche Verstoß gegen die Dokumentationspflicht muss adäquat kausal den Schaden (mit-) verursacht haben. Und das ist der entscheidende Punkt: Wie soll eine unvollständige/fehlerhafte bzw. gar fehlende Dokumentation einen Schaden verursachen? Um die Kausalität zu bejahen hieße dies, dass ein Makler, der richtig beraten, die Beratung aber nicht bzw. nicht richtig dokumentiert hat, gleichwohl haftbar ist. Eine solche Konstellation dürfte nur in den seltensten Fällen – bzw. wohl kaum – zu einem Schaden des Kunden führen. Denkbar wäre, dass der Makler richtig beraten hat, seine Beratung jedoch falsch dokumentiert und der Kunde sich bei seiner Entscheidung allein auf die Dokumentation verlässt. In einem solchen Fall wird man jedoch nicht von einer wissentlichen Pflichtverletzung sprechen können. Das OLG Dresden hat 2017 (4 U 1512/16) konsequenterweise auch geurteilt: „Die Verletzung der Pflicht zur Beratungsdokumentation führt nicht zu einem eigenständigen Schadensersatzanspruch, sondern lediglich zu einer Umkehr der Beweislast.“ Üblicherweise werden Schadensersatzsprüche gegen den Makler daher auf Falschberatung und nicht auf eine fehlerhafte/unvollständige bzw. fehlende Dokumentation gestützt. Was aber natürlich bleibt, ist die Beweislastumkehr aufgrund nicht erfolgter Dokumentation. Dies allerdings hat lediglich Auswirkungen auf die Beweislast im Haftpflichtprozess, nicht jedoch auf Deckungsebene bei der Frage des Versicherungsschutzes.
Rechtssicherheit nur durch abgestimmte Dokumentation?
Durch die Werbung für ein bestimmtes Tool zur Dokumentation wird der Eindruck erweckt, alle Vermittler sollten ihre in der täglichen Praxis verwendeten „Beratungsprotokolle“ dem Vermögensschaden-Haftpflichtversicherer vorlegen, um Rechtssicherheit zu erlangen. Schließlich besteht nicht nur im Bereich der Versicherungsvermittlung eine Pflicht zur Dokumentation bzw. Protokollierung, sondern auch im Bereich der Finanzanlagenvermittlung
(§ 18 FinVermV).
Würde man nun verlangen, dass der Versicherer das vom Vermittler vorgelegte Protokoll prüft und zur Verwendung freigibt, würde man verlangen, dass der Versicherer eine unzulässige Rechtsberatung durchführt.
Mit anderen Worten: Der Versicherer wird nicht prüfen, ob der Vermittler mit der Verwendung eines bestimmten Protokolls oder einer Musterdokumentation seine gesetzlichen Pflichten einhält. Dies darf er auch gar nicht. Der Vermittler ist grundsätzlich frei in der Verwendung seiner Protokolle bzw. Dokumentation. Er selbst hat darauf zu achten, dass er die gesetzlichen Pflichten erfüllt. Dies ist nicht Sache der Versicherer.
Vertragliche Obliegenheit zur Dokumentation
Es gibt auch Versicherungsbedingungen, die eine „kundenfreundliche Regelung zur Erstellung von Beratungsprotokollen“ in Form einer Obliegenheit statuieren. Durch diese komme der Versicherungsnehmer „in den Genuss der günstigen Regelungen des neuen VVG“, denn „hiernach besteht eine vollständige Leistungsfreiheit des Versicherers nur in den Fällen, in denen die Obliegenheit vorsätzlich verletzt wurde – und dann auch nur dann, wenn die Obliegenheitsverletzung für den
Eintritt des Versicherungsfalls oder die Feststellung oder den Umfang der Leistungspflicht ursächlich war“.
Der Vermittler ist für die Einhaltung der gesetzlichen Pflichten verantwortlich.
Damit verweist der Versicherer auf die Rechtsfolgen von vertraglichen Obliegenheiten in § 28 VVG und beschreibt die Inhalte aus den Absätzen 2 und 3 – dies jedoch nicht vollständig.
Gänzlich unerwähnt bleibt die Rechtsfolge bei grob fahrlässiger Verletzung von Obliegenheiten – und das kann Folgen für den Versicherungsmakler haben. Verstößt der Versicherungsmakler bewusst gegen die gesetzliche Dokumentationspflicht, handelt er vorsätzlich – sogar „wissentlich“ – und verstößt damit bereits vorsätzlich gegen die vertragliche Obliegenheit. Die mögliche Leistungsfreiheit des Versicherers kann der Makler nur durch einen Kausalitätsgegenbeweis abwenden. Dafür muss der Versicherungsmakler nachweisen, dass seine Obliegenheitsverletzung weder für den Eintritt oder die Feststellung des Versicherungsfalles noch für die Feststellung oder den Umfang der Leistungspflicht ursächlich war. Dass die Obliegenheitsverletzung nicht kausal für den Eintritt des Versicherungsfalls war, wird der Makler unter Berücksichtigung der zur „wissentlichen Pflichtverletzung“ dargestellten Argumentation darlegen können. Durchaus Schwierigkeiten bereiten könnte dem Makler aber der Kausalitätsgegenbeweis über den Umfang der Leistungspflicht. Hätte der Makler dokumentiert, könnte er mit seiner Dokumentation die Richtigkeit und Vollständigkeit seiner Beratung darlegen und beweisen. Ohne eine Dokumentation wird er Probleme haben, der Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung darzulegen, dass ihr Leistungsumfang bei erfolgter Dokumentation identisch wäre. Hätte der Makler dokumentiert, hätte er im Einzelfall sicherlich sogar die Möglichkeit, durch die Dokumentation darzulegen, dass der Versicherer gar nicht leisten müsste.
Die vertragliche Obliegenheit zur Vorlage der Dokumentation verlagert damit nicht nur die Beweislast vom Versicherer auf den Versicherungsnehmer – da sich dieser entlasten muss –, sondern gibt dem Versicherer sogar die Möglichkeit, bei Vorliegen einer grob fahrlässigen Verletzung der Obliegenheit die Leistung zu kürzen. Warum also eine vertragliche Obliegenheit zur Vorlage der Dokumentation für den Makler kundenfreundlicher sein soll als ein Ausschluss, der ohnehin in der Praxis kaum greift, bleibt das Geheimnis der entsprechenden Versicherungsgesellschaften.
Das Fazit
Die fehlende Beratungsdokumentation hat auf Deckungsebene in der Praxis regelmäßig nur dann negative Auswirkungen auf den Versicherungsschutz, wenn in den Versicherungsbedingungen eine Obliegenheit zur Vorlage der Dokumentation vereinbart ist. Auf der Haftungsseite ist die Dokumentation jedoch ein wichtiges Beweismittel des Vermittlers, um sich gegen Vorwürfe der Falschberatung verteidigen zu können.