Der Brexit kommt und mit ihm gibt es weitreichende Fogen für die Versicheurngswirtschaft.
Was genau sollte ein Makler einem Kunden jetzt raten? Gibt es Haftungsrisiken für Makler?
Es gibt noch keinen Brexit
Versicherungskunden sind aktuell vor einer schwierigen Situation, denn egal was man jetzt tut oder lässt, es kann falsch sein. Niemand weiß aktuell, was der Brexit konkret bringt, da noch keine Folgevereinbarungen verhandelt wurden. Streng genommen, weiß man im Moment noch nicht einmal, ob es zum Brexit kommt.
Das durchgeführte Referendum ist rechtlich nicht bindend. Sollte die Volksmeinung weiter kippen, ist es gut möglich, dass das britische Parlament am Ende doch noch einen Entschluss gegen den Austritt fasst. Auch ein weiteres Referendum kann nicht ausgeschlossen werden. Bis die Briten selbst Ihren Austrittswunsch an die EU richten, gibt es keine Handhabung der EU irgendetwas vorab zu klären. So lange bleibt auch die wirtschaftliche Situation der Versicherungskunden mit britischen Policen unklar.
Ein „weiter so“ ist daher keinem Makler zu empfehlen.
Wenn der Brexit kommt
Was im Falle eines Brexits passiert, ist Gegenstand einer maximal zweijährigen Verhandlungsphase zwischen der EU und Großbritannien die nach einem an die EU gerichteten Austrittswunsch beginnt.
In dieser Verhandlungsphase kann alles verhandelt werden. Es ist beispielsweise möglich, dass Großbritannien weiterhin alle Regeln der EU übernimmt und damit weiterhin alle bisherigen Privilegien genießt. Wahrscheinlich ist dies nicht. Allein die Komplexität einer so simpel erscheinenden Verabredung könnte vertragrechtlich so umfassend sein, dass es nicht gelingt dies vor Ablauf der zweijährigen Phase zu realisieren. Außerdem könnte es sich als politisch gewollt erweisen, Großbritannien die Folgen des Austritts spüren zu lassen, um nach Innen Geschlossenheit und nach Außen hin eine Schwächung eines Konkurrenten auf dem Weltmarkt zu realisieren.
Am Ende bleibt: Wir wissen so gut wie nichts.
Was wir wissen:
- Wenn die Briten ihren Austrittswunsch bei der EU vorlegen sind Sie nach weiteren 2 Jahren spätestens raus.
- Alles kann verhandelt werden, aber nichts muss verhandelt werden.
- Alles was im Umgang mit EU-Land Großbritannien geregelt ist, gilt erstmal nicht mehr ohne Verhandlungsergebnis.
Letzterer Satz ist entscheidend, denn dies würde bedeuten:
- In Deutschland lebende Briten bräuchten eine Daueraufenthaltsgenehmigung (diese ist ohne eine gesonderte noch zu treffende Regelung kaum zu erhalten).
- In Deutschland lebende Briten brauchen ggf. eine Arbeitsgenehmigung (diese ist ohne eine gesonderte noch zu treffende Regelung ebenfalls nur schwer zu erhalten).
- Für in Großbritannien arbeitende Deutsche gilt jeweils das gleiche.
- Reisen von oder nach Großbritannien wären nur mit Visum möglich. Es gibt aber noch keine Visums-Bedingungen für Großbritannien.
Man sieht an diesen 4 Beispielen, dass die EU und Großbritannien weitaus wichtigere Dinge zu verhandeln hätten, als ausgerechnet Versicherungen. Doch auch hier wären viele Fragen unklar:
- Gilt weiterhin das Steuerprivileg für in Großbritannien vereinbarte Lebensversicherungen, wenn diese keinen Sitz in der EU haben?
- Welche Gerichtsbarkeiten kann ein Versicherungsnehmer ggf. anrufen, wenn er im Streit mit einem britischen Versicherer liegt, dieser aber keinen Sitz in der EU hat?
- Wie kann er seine Versicherung bezahlen? Bleibt Großbritannien an den innereuropäischen Zahlungsverkehr angeschlossen? Wären Auslandsüberweisungen nötig? Kommen neue Kosten damit auf ihn zu?
Wenn der Brexit nicht kommt
Wenn der Brexit nicht kommt, der Kunde aber vorsorglich seine Versicherung gekündigt hätte, erleidet er ohne Not unter Umständen Schäden, da er beispielsweise auf Schlussgewinne verzichtet.
Wie Versicherer reagieren
Loben wollen wir in diesem Zusammenhang ausdrücklich die Standard Life: Stunden nach dem Bekanntwerden des Referendums stellte der Versicherer bereits Informationen zur Verfügung und rief von sich aus an. Der Versicherer bekannte sich klar zum Deutschlandgeschäft und kündigte an notfalls einen Versicherer innerhalb der EU gründen zu wollen.
Ein ähnlich klares Bekenntnis kam auf Nachfrage vom Vertrieb der Hiscox und der Markel international.
Bei nahezu allen anderen Versicherern herrschte am Freitag Morgen noch heilloses Chaos, niemand wusste wer Auskunft geben könne. Wurden schließlich intern Mitarbeiter oder Abteilungen gefunden, wussten dies Teils noch nicht einmal vom Referendum – als ob das einem britischen Versicherer egal sein könne. Spekulierten einige, dass es ein zweites Referendum geben müsse, verweigerten andere jede Auskunft. Die Bitte nach einer Kunden- oder Vermittlerhotline wurde vehement abgelehnt. Rückrufwünsche blieben bis heute unbeantwortet.
Auf fataler Weise zeigte sich, dass die betroffenen Versicherer überwiegend uninformiert, unvorbereitet und teils heftig uninteressiert waren. Die Marketingabteilungen werden zwischenzeitlich sicher ihren Job erledigt haben und mit publikumsverträglicheren Statements aufwarten können. Realistisch muss man aber feststellen, dass die erste Reaktion die Wahrheit offenbart: Wenn Großbritannien aus der EU austritt wird die Mehrzahl britischer Versicherer deutschen Kunden den Rücken kehren und sich nicht weiter für ihr Wohlergehen verantwortlich fühlen. Echtes Interesse an der Situation des Kunden war die wohltuende Ausnahme.
=> Blog-Beitrag: Welche Versicherer vom Brexit betroffen sind
Was dem Neu-Kunden zu raten ist
Sachversicherungen: Für Sachversicherungen aus Großbritannien (etwa Hiscox, Markel etc.) ist die Sache nach wie vor relativ unkompliziert. Da die Verträge jährlich laufen, kann der Kunde noch beruhigt abschließen. Sollte sich die Entwicklung ändern, wird er unkompliziert und rechtzeitig bevor sich negative Folgen eines Brexits zeigen wechseln können.
Der Makler sollte sicherlich dennoch darauf aufmerksam machen, dass es sich um einen britischen Versicherer handelt und für Standardrisiken Policen aus dem EU-Raum bevorzugen. Da jedoch gerade im britischen Sachbereich eher Spezialbereiche unterwegs sind und hier oft unkoventionelle und passendere Konzepte angeboten werden, könnte ein voreiliger Verzicht auf entsprechende Lösungen sich eher nachteilig für den Kunden auswirken.
Lebensversicherungen: Von der Vermittlung ist dringend abzuraten. Zwar haben solide Versicherer wie Standard Life angekündigt Deutschland weiter als Kernmarkt anzusehen und ggf. in der EU eine Unternehmenstochter zu gründen, doch so lange es diesbezüglich bei Lippenbekenntnissen bleibt (arme britische Versicherer: Handeln sie jetzt nicht verlieren sie ihren Markt. Handeln sie übereilt und die Gründung der Unternehmenstochter erweist sich als überflüssig, investieren sie viele Millionen sinnlos.) dürfte der Makler keine andere Wahl haben.
Seien Sie realistisch: Niemand weiß, wie es mit englischen Policen weitergeht. In einer solchen Situation können Sie diese Policen nicht vermitteln ohne selbst ggf. in die Haftung zu geraten.
Was dem Bestandskunden zu raten ist
Sachversicherungen: Es gibt aktuell keinen Handlungsbedarf, da der Kunde für seine Beiträge unverändert direkt Versicherungsschutz erhält. Da der Beitrag normalerweise nur ein Jahr im voraus bezahlt wird, erscheint ein Fortbestand risikolos. Zeichnet sich ab, dass der Brexit tatsächlich kommt, ist erneut zu prüfen, ob eine Umdeckung sinnvoll wird. Wir informieren Sie rechtzeitig.
Lebensversicherungen: Aktuell wäre jede Entscheidung übereilt. In den nächsten 3-6 Monaten wird sich jedoch zeigen, welche britischen Versicherer sich aktiv um die Gründung einer EU-Tochter bemühen. Wo dies nicht sichtbar wird, sollten Kunden nicht weiter in die entsprechenden Policen investieren und die Verträge zumindest beitragsfrei stellen. Kommt ein realer Austrittstermin näher und sind Verhandlungsergebnisse der EU mit Großbritannien immer noch unklar, kann sogar eine Herauslösung von Fonds in eigene Depots und schlussendlich die Kündigung entsprechender Policen geboten sein.
Stand heute wäre dies übereilt. Versicherungsmakler sollten vielmehr darauf drängen, dass die betroffenen Versicherer sich aktiv um die Gründung einer EU-Tochter bemühen. Unser Geschäft ist Sicherheit. Britische Versicherer haben unser Mitgefühl. Doch die Altersvorsorge unserer Kunden lässt keine Risiken zu, die sich aus der Spekulation um politische Entwicklungen ergeben würden. Die Versicherer haben das zu tun, was Aufgabe des Versicherers ist: Sicherheit geben.
Wir halten Sie informiert
Wo uns aktuell neue Lebenversicherungsanträge erreichen, halten wir aktiv Rücksprache mit dem vermittelnden Kollegen und klären, ob die Eindeckung unverändert gewünscht wird (selbstverständlich decken wir diese für Sie ein, wenn Sie es wüschen). Britische Sachversicherungen decken wir ohne Rückfrage ein.
Wir beobachten die Situation und überarbeiten unsere Handlungsempfehlung an Sie, sobald sich etwas tut (oder gerade nicht tut).
Vielen Dank für den sehr guten Beizrag.
Eine sehr wertvolle Unterstützung.
Danke dafür nach Lübeck.
Vielen Dank für den sehr aufklärenden und hilfreichen Beitrag –
Vielen Dank für den sachlichen, klaren Beitrag!
Versicherer aus dem EWR-Raum (oder auch aus Drittstaaten), die bereits in der EU eine Niederlassung haben, sind zulassungsrechtlich überhaupt nicht betroffen. StandardLife z.B. mit NL bräuchte gar keinen „EU-Versicherer“. Das geht auf die EWG-Vorschriften und das VAG zurück.
Versicherer ohne NL in der EU, können eine Gleichwertigkeitsprüfung absolvieren, wie z.B. die aus der Schweiz.
Folgende Fälle sind zu unterscheiden:
Fall 1: Das Versicherungsunternehmen hat seinen Sitz in einem anderen EU-Land.
– §§ 110a, 110b und 110d VAG
Fall 2: Das Versicherungsunternehmen hat seinen Sitz in einem Vertragsstaat des Europäischen Wirtschaftsraumes (EWR), der nicht zur EU gehört (zum Beispiel EFTA- Staaten; besondere Regeln existieren für die Schweiz). – § 110d VAG
Fall 3: Das Versicherungsunternehmen hat seinen Sitz in einem Drittstaat außerhalb des EWR-Raumes. – §§105 bis 110 VAG
Im letzteren Fall Tochtergesell. in der EU (egal wo dort !), oder Niederlassung.